Prädation – Beutestrategien

Physiologische und/oder morphologische Anpassungen

Krypsis (Tarnfärbung)

-Mimese (Nachahmung eines unbelebten Objektes)
Stabheuschrecken (Phasmatodea) imitieren einen leblosen Ast

-Tarnmuster (Kontrastvermeidung)
Ein Polarhase (Lepus arcticus) ist mangels Kontrast im Schnee gut getarnt.

-Konterschattierung
Ein Humboldt-Pinguin (Spheniscus humboldti) ist schwimmend sowohl von unten als auch von oben getarnt.

Aposematismus (Warnfärbung)
Tiere mit Warnfärbungen signalisieren ihren Räubern ihre Wehrhaftigkeit.

-Aktive Wehrhaftigkeit (Stacheln, Schuppen)
Das Stachelschwein (Hystrix cristata) ist durch seine Stacheln aktiv geschützt.

-Passive Wehrhaftigkeit (Inhaltsstoffe im
Körper, die es ungenießbar oder giftig machen)
Der Feuersalamander (Salamandra salamandra) ist u.a. durch das Hautgift Samarandin (C19H31NO) passiv geschützt.

Funktionsweise: Räuber greift Beute an, erfährt die Wehrhaftigkeit und wird nie andere Individuen der Art angreifen.
Das Beutetier stirbt im Falle der passiven Wehrhaftigkeit meistens und nur Artgenossen werden geschützt.

Frage nach der Evolution: Ein einzelnes Tier mit dem Merkmal (durch Spontanmutation) kann sich nicht fortgepflanzt haben, da es mangels Erfahrung eines Räubers gefressen wird.

Antwort: Tiere mit Warnfärbung leben oft in Familiengruppen eng beieinander, so dass die Geschwister des gefressenen Tieres geschützt sind und die Gene weiter vererben können.

Mimikry (Nachahmung von Aposematismus)
-Müller‘sche Mimikry (mehrere wehrhafte Arten ähneln sich)
-Bates‘sche Mimikry (wehrlose Arten imitieren Wehrhaftigkeit)

Wehrhaftigkeit

-Warnfärbungen (zur Verwirrung des Räubers)
Augenflecken auf einer Mantiskrabbe (Gonodaytylus smithii) schrecken Räuber ab

-Autonomie (Abstoßen von Körperteilen)
z.B. abgeworfener Schwanz einer Eidechse (Lacertidae). Durch Kontraktion von Ringmuskeln kann eine Eidechse den Schwanz ohne viel Blutverlust abwerfen.

-Chemische Verteidigung (Abschreckung vor dem Zugriff)
Bombardierkäfer (Brachininae) können dem Räuber ätzende Gase ins Gesicht blasen. Durch Mischung von Hydrochinon und Wasserstoffperoxid entsteht eine explosive Mischung.

-Mechanische Verteidigung
*Passive Verteidigung (Schuppen, Stacheln)
*Aktive Verteidigung (Hörner, Zähne)
Gürteltiere wie das Neunbinden-Gürteltier (Dasypus novemcinctus) sind durch ihre Schuppen passiv verteidigt. Hirsche (Cervidae) benutzen ihr Geweih als aktive Verteidigung.

-Hassen (Scheinangriffe und Räuberverfolgung)
Ein Rotschulterstärling (Agelaius phoeniceus) kann durch durch Scheinangriffe („mobbing“) minutenlang einen Truthahngeier (Cathartes aura) vertreiben.

-Flucht
Ein Flussperd (Hippopotamus amphibius)flieht vor Löwen (Panthera leo)

Wachsamkeit
Große oder in Gruppen lebende Arten haben keine Möglichkeit der effektiven Krypsis (Tarnfärbung), für diese ist Wachsamkeit die entscheidende Räubervermeidungsstrategie.

-Visuelle Wachsamkeit (Vigilanz = Aufmerksamkeit)
Nur bei tagaktiven Tieren möglich
Absuchen des Reviers im Tagesverlauf
Keine Möglichkeit der Nahrungsaufnahme während hoher Vigilanz

-Auditive Wachsamkeit
Rufe von Räubern auditiv erkennbar
(Nachtfalter und Motten hören Ultraschall von Fledermäusen)

-Geteilte Wachsamkeit
Gruppenleben Voraussetzung für geteilte Wachsamkeit
Möglichkeit der Nahrungsaufnahme, während anderes Gruppenmitglied wacht

Die Entdeckung eines Räubers durch einen der o.g. Mechanismen kann bei Tieren folgendes Verhalten auslösen:
Hassen
Warnruf
Induzierte Krypsis
Flucht

Männchen zeigen meist eine höhere Vigilanz als Weibchen
Weibchen benötigen mehr Nahrung zur Fortpflanzung –> mehr Nahrungssuche
Männchen erkaufen sich die Gruppenzugehörigkeit mit der Dienstleistung der Vigilanz

Adulte Tiere zeigen meist eine höhere Vigilanz als juvenile Tiere
Juvenile Tiere benötigen aufgrund ihres Wachstums mehr Nahrung –> mehr Nahrungssuche
Die geringere Vigilanz von juvenilen Tieren wird von höherer Vigilanz der Eltern kompensiert.

Abwechslung zwischen Individuen zur Aufrechterhaltung der Vigilanz
Jedes Individuum erhält ausreichend Zeit zur Nahrungsaufnahme

Vigilanz in Gruppen unabhängig voneinander
Jedes Tier unterbricht seine Nahrungsaufnahme periodisch für eine kurze Zeit der erhöhten Vigilanz

Alarmsignale
Hat ein in Gruppen lebendes Tier durch Vigilanz einen Räuber wahrgenommen, so wird es zur Informationsweitergabe an die Artgenossen Alarmsignale benutzen.

-Schreckstoffe (Fischpheromone)
Innerhalb von Fischschwärmen wird mittels Schreckstoffen eine Flucht vor potenziellen Räubern induziert.

-Alarmrufe

*Dringlichkeitsrufe (genereller Alarm)
oder
*Funktionell referentielle Rufe (Räuberspezifischer Alarm)

Einige madagassische Primaten verwenden beide Arten von Rufen, funktionell referentielle meist für Luftfeinde

Gruppenbildung

-Vorteile

Gemeinsame Verteidigung
„Mehrere Schimpansen schlugen mit Knüppeln auf eine aufgestellte Leopardenatrappe ein, bis diese völlig zerstört war. Bei einem echten Leopard wäre vermutlich das Rückgrat gebrochen worden.“ Paul, A. (1998)

Räuberverwirrung
Konzentration des Räubers auf ein Individuum innerhalb einer Gruppe erschwert

Verdünnungseffekt
Wahrscheinlichkeit für Individuum, gefressen zu werden, sinkt mit Gruppengröße
Weniger Kosten bzw. Fitnessverlust durch erhöhte Vigilanz, profitieren von Alarmsignalen

-Nachteile
Nahrungskonkurrenz
Krankheitenübertragung
Parasitenübertragung

-Zwischenartliche Gruppenbildung
Bei einigen Vögeln und Primaten gibt es verschiedene Arten, die untereinander mit Alarmrufen kommunizieren können. Bei diesem System sind alle Nachteile aufgrund des Artenunterschiedes verringert bis ganz eliminiert.