Evolution von Alarmstoffen – spielt Verwandtenselektion eine Rolle?

Alarmsignale werden von Tieren abgegeben, um vor dem Vorhandensein von Raubtieren zu warnen. Zu den Alarmsignalen zählen die Alarmstoffe, welches chemische Substanzen sind, die zur Kommunikation zwischen aquatischen Tierarten (von beispielsweise Schnecken, Krebsen, Amphibien und Fischen) verwendet werden. Alarmstoffe werden passiv aus Verletzungen heraus ins Wasser abgegeben; da größere Verletzungen fast ausnahmslos von Raubtieren verursacht werden, sind diese Stoffe ein zuverlässiger Mechanismus, Artgenossen vor Raubtieren zu warnen.

Jedoch ist unklar, wie sich diese Alarmstoffe evolvieren konnten; eine der Grundannahmen ist, dass der Sender eines Signals einen Vorteil bei der Weitergabe seiner Gene haben muss, damit sich dieses Signal in der Evolution durchsetzt. Bei einem Tier mit schweren Verletzungen, welches Alarmstoffe abgibt, ist ein Vorteil durch das Abgeben der Alarmstoffe auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Dazu kommt noch, dass Alarmstoffe bei erhöhter Kondition vermehrt produziert werden, es gibt also eindeutige Kosten der Alarmstoffproduktion laut einem Paper von Journal of Fish Biology. Es gibt daher mehrere Theorien zur Evolution von Alarmstoffen.

Die erste Theorie besagt, dass die Alarmstoffe zusätzliche Raubtiere anlocken könnten, welche sich dann untereinander um das verletzte Tier streiten, so dass dieses entkommen kann (siehe diese Publikation bei American Naturalist, Vorteil bei der direkten Fitness). Eine zweite Theorie ist, dass Alarmstoffe primär eine ganz andere Funktion haben, sie könnten Teil des Immunsystems sein und die Alarmwirkung könnte nur einen Nebeneffekt darstellen (analog zu einer Publikation bei Proceedings B). Artgenossen, die diese Substanzen im freien Wasser erkennen, und als Ursache korrekterweise ein Raubtier zuordnen, würden einen Überlebensvorteil haben; hier würde sich lediglich das Erkennen der Alarmstoffe zusätzlich evolvieren. Eine dritte Theorie besagt, dass der verletzte Sender der Alarmstoffe damit seine Verwandten warnt (welche einen großen Teil der Gene mit dem verletzten Tier teilen) und so seine Gene einen Vorteil haben (Vorteil bei der indirekten Fitness). Während die erste und zweite Theorie bereits getestet wurden, und für korrekt befunden wurden, hat sich bisher keiner mit der dritten Theorie empirisch bei Tieren auseinandergesetzt. Die dritte Theorie wurde bisher nur in einer Publikation von Proceedings B bei Pflanzen erfolgreich getestet, Pflanzen reagierten mit stärker verändertem Wachstum wenn sie neben verletzte Verwandte (Klone) gestellt wurden; hier wurden die Alarmstoffe über die Luft übertragen, da die Pflanzen in unterschiedlichen Blumentöpfen standen.

Deshalb habe ich in einem Versuch Smaragdprachtbarsche (Pelvicachromis taeniatus) mit Alarmstoffen von Verwandten und Nichtverwandten konfrontiert. Würden Alarmstoffe vor allem zum Warnen von Verwandten dienen, würden diese stärker auf diese reagieren. Eine typische Antwort auf Alarmstoffe und somit auf die Anwesenheit von Raubtieren ist eine Reduktion in der Aktivität; damit werden Tiere unauffälliger und werden schlechter von Räubern wahrgenommen. Jedoch kam bei meinen Experimenten heraus, dass die Fische sich nicht in ihrer Antwort auf Alarmstoffe von Verwandten und Nichtverwandten unterschieden. Weil Fische beständig Substanzen abgeben, die ihre Verwandtschaft zu Artgenossen signalisieren, ist es unwahrscheinlich, dass der Geruch von verletzten Verwandten kein Signal der Verwandtschaft enthielt. Daher muss es so sein, dass die Empfänger nicht in der Lage waren, die Alarmstoffe als Signale von Verwandten zu klassifizieren. Das kann daran liegen, dass die Alarmstoffe selbst keine Komponente der Verwandtschaft enthielten, und so nicht als solche erkannt werden konnten. Alternativ waren die Empfänger nicht in der Lage, die Information zur Verwandtschaft mit der Information zur Anwesenheit von Raubtieren zu koppeln.

Das muss jedoch nicht heißen, dass die Theorie zum Warnen von Verwandten nicht korrekt ist. Sie kann nämlich auch dann greifen, wenn die Tiere in Verwandtengruppen leben , so automatisch primär Verwandte gewarnt werden und diese dadurch einen Überlebensvorteil haben. Letztendlich bleibt festzustellen, dass die Frage zur Evolution der Alarmstoffe bei Fischen und anderen aquatischen Organismen auch weiterhin erforscht werden muss, um geklärt werden zu können.

Den vollständigen Artikel könnt ihr hier lesen; eine englische Zusammenfassung von unbeteiligten Studenten hier.

Foto: © Colin Milkins/gettyimages.com